Ergebnisse der Vegetationsaufnahmen
Zur Vorbereitung des Monitoring wurden die Flächen kartographisch erfasst:
Mittels GPS wurden darüber hinaus sämtliche Individuen der Zielbaumarten eingemessen, unterstützt durch ergänzende Messungen mit dem Maßband. Die mittlere Genauigkeit der Messungen lag - trotz der Lage der der meisten Meßpunkte im geschlossenen Bestand - bei etwa zwei bis drei Metern.
Sämtliche Individuen der Zielbaumarten wurden hinsichtlich ihres Brusthöhendurchmessers vermessen und mit einer am Wurzelanlauf angenagelten Aluminiumnummer dauerhaft vermarkt.
Der Standort der Gehölze wurde in Karten eingezeichnet und so eine solide Kartengrundlage für die im Rahmen des Projektes und über die Projektlaufzeit hinaus durchzuführenden Untersuchungen geschaffen.
Schnittzeichnung der Modellfläche „Selsberge“ im westlichen Bereich im 2. Jahr nach Durchführung der Maßnahme.
Ausgewählte Flächen in den unterschiedlich bearbeiteten Bereichen (Kronenschnitt geräumt bzw. nicht geräumt) wurden ebenfalls eingemessen und mittels Permanentmagneten vermarkt. An den im Bereich dieser Flächen gelegenen Individuen der Zielbaumarten wurden Stockausschläge gezählt und die Ausschläge vermessen.
Zusätzlich wurden während der Begehungen seit 2007 nach Abschnitten getrennt sämtliche aufgefundenen Gefäßpflanzenarten notiert. Hierdurch lässt sich - durchaus auch unabhängig von deren Deckungsanteilen (Präsenz / Absenz) - die Entwicklung der Flächen hinsichtlich ihres Artenreichtums als Parameter ihres ökologischen Wertes gut abschätzen.
Durch die konsequent durchgeführte abschnittsweise Erhebung wird die Stichprobe erhöht, wobei jeweils gleichalte Entwicklungsstände, d.h. die gleiche Anzahl der seit dem Einschlag verstrichenen Vegetationsperioden (z.B. Abschnitt 1 = 2008 mit Abschnitt 2 = 2009 bzw. Abschnitt 3 = 2010) miteinander zu vergleichen bzw. zusammenzufassen sind.
Ergebnisse nach Ablauf von drei Projektjahren
Hintergrund der Untersuchungen ist vor allem die Frage, welche Verschiebungen im Arteninventar bzw. in der Vegetation sich durch den Eingriff ergeben und ob sich der ökologische Wert der Modellflächen infolge der mittelwaldähnlichen Waldrandgestaltung über eine größere Artenvielfalt bzw. eine größere Vielfalt an syntaxonomischen Einheiten und damit unterschiedlicher ökologischer Nischen erhöht.
Erfassung der Vegetationsstruktur bzw. der Vegetationsentwicklung
Auf allen sieben Modellflächen wurden von 2007 bis 2010 jährlich flächendeckend Vegetationseinheiten abgegrenzt. Für jede Fläche wurden aspektbildende Arten sowie der Ansprache der Vegetationseinheit dienende Arten (Charakterarten syntaxonomischer Einheiten unterschiedlichen Ranges) mit ihren Deckungsgraden, getrennt nach Schichten (1. ggf. auch 2. Baumschicht, Strauchschicht, Krautschicht) notiert.
Es konnte ein kontinuierlicher und deutlicher Anstieg der Artenzahlen verzeichnet werden, der Zuwachs beträgt für die Jahre 2007 bis 2010 im Mittel 47%. Auch die Zahl der gefährdeten Arten erhöht sich innerhalb der Projektlaufzeit auf fast allen Flächen leicht.
Die Unterteilung der Vegetationseinheiten zu syntaxonomischen Einheiten (gemäß Pott, 1995) bzw. Formationen ermöglichte es, die Entwicklungsrichtung der Flächen im Laufe der Sukzession bzw. Wiederbewaldung abzuschätzen:
- Bestände aus Arten der Nitrophilen Saum- und Verlichtungsgesellschaften deuten auf eine hohe Nährstoffbereitstellung infolge der stärkeren Belichtung und Erwärmung des ehemals beschatteten Waldbodens hin
- Die Bestände aus Arten der Trespen-Halbtrockenrasen und trockenen Saumgesellschaften zeigen die Entwicklung hin zu Beständen licht- und wärmeliebender Arten auf Waldgerste- und Seggen-Buchenwald-Standorten
- Schlagfluren und Vorwaldstadien lassen auf einen entsprechend fortgeschrittenen Sukzessionsgrad bei der Wiederbewaldung schließen
Die Dauerbeobachtungsflächen
Auf den Modellflächen waren vor dem Einschlag jeweils zwei mit Hartholzpflöcken und Permanentmagneten dauerhaft vermarkte und mittels GPS eingemessene Dauerbeobachtungsflächen mit einer Flächengröße von 20 x 10 m angelegt worden (je Einschlagperiode eine Fläche mit und eine Fläche ohne Schlagabraum). Diese wurden als Nullaufnahme erstmals 2007, danach jährlich nach der von Londo (1975) eingeführten, differenzierten Schätzskala aufgenommen.
Bielenberg-Nordost
Im Bereich der Modellfläche Bielenberg-Nordost stockte vor dem Ersteinschlag auf dem überwiegenden Teil der Flächen ein durchgewachsener Hasel-Niederwald mit eingestreuten Zitter-Pappeln, Sal-Weiden, Lärchen, Eschen, Stiel-Eichen und Feld-Ahornen.
Nach der Waldrandgestaltung konnte sich hier zunächst vor allem die ausschlagkräftige Esche ausbreiten, wobei der Haselaustrieb inzwischen nachzieht.
Ziegenberg
Ziegenberg 2010 mit Hasel-Stockausschlägen (im Vordergrund) und Eschen- und Buchen-Jungwuchs (im Hintergrund)
Im überwiegenden Teil der Modellfläche Ziegenberg befand sich vor der Waldrandgestaltung ein Waldmeister-Buchenwald (Galio odorati-Fagetum (R. Tx. 1955) mit Übergängen zum Waldgerste-Buchenwald (Hordelymo-Fagetum (Kuhn 1937).
Der Buche beigemischt sind Feld-Ahorn und Eichen, in der Strauchschicht nimmt Hasel größere Deckungsanteile ein. Im südwestlichen Teil stockte ein Schwarzkiefer-Bestand.
Nach der Waldrandgestaltung entwickelten sich kleinflächig Schlagfluren, während der überwiegende Teil der Fläche schnell von Hasel-Stockausschlägen bedeckt wurde. 2010 sind diese teilweise bereits von Eschen- und Buchenjungwuchs überprägt. In der Krautschicht laufen zunehmend Arten des Waldgerste-Buchenwaldes sowie des Seggen-Buchenwaldes auf, unter ihnen mehrere Orchideen-Arten.
Steinberg
Im Bereich der Modellfläche Steinberg stocken in kleinflächig wechselndem Mosaik Bestände des Hainsimsen-Buchenwaldes (Luzulo luzuloides-Fagetum typicum Meusel 1937) und des Waldmeister-Buchenwaldes. Seit Generationen wurden im Bestand die Eichen (Quercus petraea et Q. robur) gefördert, so dass vor allem im nördlichen Teil der Fläche Eichen und auch Hainbuchen größere Anteile einnehmen. Durch femelschlagartige Entnahme von Gehölzen finden sich ebenfalls vor allem im nördlichen Teil der Modellfläche, eingestreute Inseln mit Buchen- und Hainbuchen-Jungwuchs.
Die Krautschicht der insgesamt recht lichten Bestände ist relativ üppig, v.a. Gräser wie Draht-Schmiele (Deschampsia flexuosa (= Avenella flexuosa)) auf der einen und Einblütiges Perlgras (Melica uniflora) auf der anderen Seite erreichen größere Deckungsanteile. Hier und da finden sich darüber hinaus kleinflächig dichte Efeu-Teppiche (Hedera helix) und Himmbeer- bzw. Brombeer (Rubus idaeus/ Rubus fruticosus agg./ R. corylifolius agg.) -Gestrüppe.
Nach der Waldrandgestaltung, bei der 2007 in etwas umfangreicherem Maße, 2009 lediglich kleinflächig durch Selbstwerber ein Teil der Buchen entnommen wurde, breiteten sich in den nunmehr stärker belichteten Bereichen unter Buche, Eichen und Hainbuche üppige und kaum durchdringliche Himbeer- und Brombeer-Schlagfluren aus. In den nach wie vor bestockten Bereichen blieb der grasreiche Charakter erhalten.
Durch den insgesamt vergleichsweise behutsamen Eingriff kam es, anders als in den übrigen Modellflächen, über die skizzierten Verschiebungen hinaus zu keinen tiefgreifenden Änderungen in der Krautschicht.
Wandelnsberg
Im Bereich der Modellfläche Wandelnsberg stockte nahezu auf der gesamten Fläche ein dichter Fichtenwald. Die Krautschicht fehlte nahezu völlig, nur hier und da gelangten einzelne Individuen von Arten des Waldmeister-Buchenwaldes zur Entwicklung.
Auf dem überwiegenden Teil der Fläche wurde die Wiederbewaldung nach der Waldrandgestaltung in einem kleinflächigen Mosaik von Schlagfluren und Brombeer-Gebüschen eingeleitet.
Auf den kalkreichen und nicht zu trockenen Böden entwickelten sich Krautfluren des Atropion belladonnae (Br.-Bl. 1930), hier vor allem der Tollkirschen-Gestrüppe (Atropetum belladonnae (Br.-Bl. 1930)) (vgl. Abb 15), ferner Himbeer- und Brombeer-Gestrüppe sowie Dominanzbestände des Stechenden Hohlzahns (Galeopsis tetrahit agg.), kleinflächig auch des Landschilfs (Calamagrostis epigejos).
Nierenberg
Im Bereich der Modellfläche Nierenberg stockten vor der Waldrandgestaltung auf der gesamten Fläche heterogene Bestände aus Laubgehölzen wie Buche, Esche, Berg-Ahorn, Stiel-Eiche und Vogel-Kirsche durchmischt mit Nadelgehölzen, v.a. der Fichte. Nach dem Einschlag hat sich auf großen Teilflächen die Esche durch Stockausschlag als dominierende Art etablieren können. 2010 werden die Bestände auf den 2007/2008 eingeschlagenen Flächen in zunehmendem Maße durch den ebenfalls ausschlagkräftigen Berg-Ahorn ergänzt.
Weitere Teilbereiche der Modellfläche weisen dichte Bestände des neophytischen Indischen Springkrautes (Impatiens glandulifera) auf, das vom Weserufer aus kommend, die offenen Böden der Modellfläche schnell und erfolgreich besiedelt hat. Auch hier ist die Entwicklung der nächsten Jahre abzuwarten. Es darf vermutet werden, dass die standörtlichen Verhältnisse im Hangbereich der Modellfläche für die Pflanze ungünstiger sind, die Bestände den Waldboden nicht vollständig beschatten und sich nach und nach Gehölze etablieren.
Die Erhebungen zum Gehölzzuwachs bzw. zur Ausschlagrate der Holzarten
Im Bereich der Dauerbeobachtungsflächen erfolgte die Aufnahme der Zuwachsrate sämtlicher auf den Stock gesetzter Gehölze. Hierzu wurden alle Stockausschläge und Kernwüchse gezählt und nach Umfang und Höhe vermessen. Um eine solide Kartengrundlage für nachfolgende Untersuchungen zu schaffen, wurden die Wuchsorte der Gehölze bzw. die Wuchsflächen von Samenanflug und Wurzelausschlag innerhalb der jeweiligen Dauerbeobachtungsfläche eingemessen und kartografisch dokumentiert. Die Erhebungen sollen im Jahr 2011 auf ausgewählten Flächen wiederholt werden. Die Auswertung dieser Erhebungen wird dann Gegenstand des Endberichtes sein.
Grundsätzlich lassen sich bisher folgende Aussagen treffen:
- Die Individuen der Zielbaumarten schlagen überwiegend recht gut aus. Die Eichen bleiben gegenüber den konkurrierenden Arten Hasel, Berg-Ahorn und insbesondere Esche sowohl in ihrer Wuchshöhe als auch im Dickenzuwachs nach wie vor deutlich zurück. Letztere erweist sich auf einigen Flächen, insbesondere auf den Modellflächen „Selsberge“ und „Nierenberg“, als äußerst ausschlagfreudig.
- Die in den Verbissschutzröhren angepflanzten Gehölze entwickeln sich unabhängig von Exposition und geologischer bzw. edaphischer Situation zumeist hervorragend.
Welche Einbußen die gepflanzten Gehölze durch die großen Kleinsäuger- (aus wirtschaftlichem Blickwinkel: „Schadnager“)-populationen des letzten Winters hinzunehmen hatten, wird sich erst im Frühjahr 2011 zeigen. - Die Hainbuche läuft dort, wo Samenbäume vorhanden sind, teilweise aspektbildend auf. Das gleiche gilt für die Berberitze im Bereich der Modellfläche Bielenberg-Süd, die hier - zum Teil aus dem Stock, z. T. aus dem Samenvorrat im Boden austreibend - die Gehölzvegetation dominiert.
- Problematischer hinsichtlich der zielkonformen Entwicklung der Gehölze erweisen sich hingegen nach wie vor Teilbereiche der Modellfläche „Bielenberg-Nordost“: Zitterpappel-Austrieb durch Wurzelbrut ist hier teilweise nahezu bestandsbildend und erreicht inzwischen Höhen von über drei, teilweise sogar bis zu vier Metern. Es bleibt abzuwarten, ob und wann sich hier die als Zielarten definierten Gehölze durchsetzen.
- Der 2009 in Teilbereichen (Bielenberg-Süd, Wandelnsberg) recht starke Wildverbiss ist 2010, v. a. wohl aufgrund des immer größer werdenden Angebotes an verbissfähigem Jungwuchs, als eher unproblematisch zu werten.
Bewertung der Ergebnisse
Grundsätzlich scheinen die bisherigen Ergebnisse des Modellvorhabens recht konsistent zu sein. Die anfangs gehegte Sorge, aufgrund der geringen Stichprobenzahl und möglicher Randeffekte Trends womöglich nur schlecht oder unscharf ausmachen zu können, scheint unbegründet, da sich sämtliche untersuchte Flächen in sehr ähnlicher Weise entwickeln.
Ein Problem bei der Bewertung des auf eine Umtriebszeit von ca. 20 Jahren ausgelegten Gesamtsystems bleibt die Tatsache, dass seit dem Ersteinschlag zum jetzigen Zeitpunkt erst drei Vegetationsperioden verstrichen sind. Wirklich abschließende Aussagen bezüglich der Entwicklung von Flora und Vegetationsstruktur bzw. eine exakte zahlenmäßige Quantifizierung der mutmaßlichen ökologischen Aufwertung und der Erhöhung des Arteninventars infolge der zahlreichen geschaffenen Nischen sind aufgrund der hohen Dynamik des Systems streng genommen aber erst in etwa 16 Jahren - nämlich dem Zeitpunkt des erneuten Einschlages - möglich. Unter Zugrundelegung der bekannten Entwicklung anderer, ähnlich ausgestatteter Standorte in einem fortgeschrittenen Sukzessionsstadium können derartige Aussagen jedoch bereits am Ende der Projektlaufzeit gemacht werden.